Lockdown, die 2. (November 2020)

Lockdown light

Heute wird´s ein bisschen politisch. Und ein bisschen sarksastisch. Und kritisch.
Wenn du keine Lust hast, zu erfahren, wie geschlossenen Betrieben derzeit geht, lies bitte nicht weiter. Auch dann nicht, wenn du der Meinung bist, Betriebe, die zwangsgeschlossen wurden, um unser aller Gesundheit zu schützen, sollten jetzt bitte keine Werbung machen (das wurde mir schon geschrieben…) und sich mit aller Mitleid begnügen.
Such dir in diesem Fall besser einen anderen Beitrag ;).

Lockdown light…

Seit November sind u.a. Tanzschulen und damit auch das OT pur erneut geschlossen. Mindestens bis Ende des Jahres (es wurde dann Juni 2021…). „Lockdown light“ nennt sich das. Ich würde es „Konzeptlosigkeit“ nennen.

Ich fürchte, die meisten Mitbürger haben keine Vorstellung davon, was dieser zweite Lockdown (und die vielleicht folgenden) für die betroffenen Betriebe bedeutet. Und, seien wir mal ehrlich, die meisten interessiert das auch nicht, solange nicht ganz konkret ihr Arbeitsplatz betroffen ist (dann ist das Geschrei allerdings groß). Ein Wink zu den Kurzarbeitern – ihr gehört zu den wenigen, die das nachvollziehen können.

Manche haben die Einschränkungen noch gar nicht mitbekommen und fragen doch tatsächlich nach Probetrainings vor Ort… Mitbürger, die gar nicht merken, welche Opfer derzeit gebracht werden. Wie sollten sie auch? Der Zalando-Outlet-Store auf der Leipziger Straße hat weiterhin geöffnet (die Geschäfte mussten erst im Dezember schließen). Shoppen und in Riesenschlangen Anstehen ist weiterhin möglich – alles beim Alten, oder?

Schreib deiner Tanzschule doch mal!

Sehr hilfreich sind derzeit „Och, wie schade, viel Glück, tut mir sehr leid, hoffentlich sehen wir uns bald wieder“ in Kombination mit „Bitte überweise wir die anteilige Kursgebühr zurück. Danke! Bleib gesund und alles Gute!“ Bähm!

Hm. Gut. Kann man so machen.
Es scheint mittlerweile zum guten Benehmen zu gehören, die Kultur-, Kreativ-, Fitness- und Veranstaltungsbranche (und die, die ich vergessen habe, hier zu erwähnen) zu bemitleiden. Ich bin zwar nicht so der Fan von Mitleid, verstehe aber, dass es eine liebgemeinte Geste der Hilflosigkeit ist. Und die meisten ihre Aussagen ernst meinen. Für dieses echte Mitgefühl möchte ich mich bedanken.
Allerdings glaube ich nicht an echtes Mitgefühl, wenn im gleichen Atemzug die Kursgebühr zurückgefordert wird, weil frau partout nicht online teilnehmen möchte.
Dabei wäre das die Chance. Auf Kursgebühren und die Rückzahlung von Eventtickets verzichten, Online-Angebote von Künstlern und Unterrichtenden kaufen (statt mit der Ausrede zu kommen, Online-Angebote seien nichts für einen – meist, ohne es je ausprobiert zu haben). Es gäbe viele Möglichkeiten, dem Mitleid auch Taten folgen zu lassen.

Das Geld liegt auf der Straße – oder?

Aber wozu sich engagieren – es gibt ja die großzügigen, staatlichen Hilfen!
Seit Monaten sonnen sich unsere Politiker im Licht der angeblichen Rettung ganzer Branchen, werfen mit Floskeln um sich – da muss der Durchschnittsbürger (Angestellte und Rentner?) ja glauben, den Selbstständigen würde das Geld hinterher geworfen. Es liegt praktisch auf der Straße und, wem´s schlecht geht, der muss sich nur bücken.
„Du bekommst ja jetzt die Soforthilfe, da möchte ich bitte meinen Vertrag pausieren.“

Ja, klar, Verträgezu pausieren oder zu kündigen, ist dein gutes Recht. Danke an dieser Stelle an den Verbraucherschutz, der mit breit angelegter Informationsflut zu diesem Thema die geschlossenen Betriebe schon im März intensiv unterstützt hat. Aber bitte kombiniere deine Wünsche nicht mit Vermutungen, nur damit du ein besseres Gefühl hast.
Das ist ein Schlag ins Gesicht für jeden Selbstständigen.
Ich mache regelmäßig die Erfahrung, dass Nicht-Selbstständige leider oft gar keinen Überblick über den Wahrheitsgehalt der Aussagen von Politikern bzgl. der Hilfen haben und nicht einschätzen können, ob diese Hilfen sinnvoll sind, ankommen und ausreichen.

Wann ist die gute, alte Tugend „sprich nur über Dinge, von denen du Ahnung hast“ ausgestorben? Seit wann stellen wir alle einfach Behauptungen auf und glauben, dass es sich um Tatsachen handelt (Gruß an die Querdenker-Bewegung an dieser Stelle)?

Zum Glück geht es OT pur (noch) gut. Aber je länger sich diese Konzeptlosigkeit und die Lockdowns hinziehen, desto schwieriger wird es für uns und alle anderen betroffenen Betriebe. Viele befreundete Selbstständige stehen kurz vor dem Aufgeben. Das macht mich traurig.

Denk bitte daran, wenn du eine Mail an dein Yogastudio schreibst. Wenn du die Ticketgebühr zurückverlangst. Es nicht mit Online-Angeboten versuchst, aber wieder bei Amazon bestellst (daran hast du dich doch auch gewöhnt). Dann ist uns allen schon viel geholfen. Danke!