Multilevelkurse…

Achsentraining im Orientalischen Tanz - Foto: Sabuas Lichtraum

Warst du schon mal Teilnehmerin oder Dozentin in einem Multilevelkurs? Wie war das für dich?
Hast du viel mitnehmen können? Warst du der Situation gewachsen?
Hat der Unterricht/das Unterrichten Spaß gemacht?

Als Teilnehmerin wünsche ich mir einen Kurs, der genau meinem Level entspricht. Den optimalen Fall also. Alle haben das gleiche Level, das Lerntempo ist dementsprechend hoch, wir kommen schnell voran, ich fühle mich gefordert, aber nicht überfordert. Alles gut.

Dozenten und Kursanbieter wünschen sich das übrigens auch ;). Solche Kurse sind nämlich einfach zu unterrichten und zufrieden zu stellen.

Nur: Die beschriebene Kurssituation haben wir in den allerseltensten Fällen. Sie ist im Grunde eine Utopie.

Meist sieht es doch so aus:

Ursula kann nur alle zwei Wochen wegen ihres Schichtdienstes kommen und diese Stunden auch nicht in einem anderen Kurs „nachholen“. Greta war vier Wochen krank war und muss jetzt langsam machen. Angela hat vom Level her sowieso nie richtig in den Kurs gepasst. Sie kann aber an keinem anderen Abend. Anne wird mit über 70 etwas langsamer und braucht mehr Zeit. Die Freundin von Lea ist ganz neu, Anfängerin, möchte aber unbedingt mit Lea zusammen den Kurs besuchen. Lisa möchte aufgrund ihrer kaputten Füße lieber alles nur auf flachem Fuß machen, Inaam wird vermutlich nie lernen, den Schleier kunstvoll zu schwingen (sie mag das Teil einfach nicht).
Tanja und Florence würden gerne Auftritte machen, stoßen damit aber auf wenig Gegenliebe.

Kommt dir das bekannt vor?
Meiner Erfahrung nach ist das eine realistische Momentaufnahme eines Kurses. Eines ungeplanten Multilevelkurses.

Es geht mir übrigens nicht um Kurse, in denen man sich zum Sekttrinken und Austauschen einmal die Woche trifft und sich nebenbei ein wenig bewegt ;).
Diese Kurse gibt es, ich finde sie super – aber sie haben weniger bis keine Probleme mit dem unterschiedlichen Level der Teilnehmer. Das Level ist hier einfach nicht so wichtig.

Es geht mir um Kurse, in denen Teilnehmer und Dozent trotz der vielleicht großen Levelunterschiede Ambitionen haben.

Multilvelkurse sind für beide Seiten eine Herausforderung

Für die Teilnehmer, weil sie mehr Eigenverantwortung übernehmen, wacher und sich ihres Könnens und ihrer (noch bestehenden) Defizite bewusst werden müssen. Wer hier nicht genau auf die für ihn geltenden Anweisungen der Dozentin hört und lieber bei den weiter Fortgeschrittenen mitzuhüpft, statt sich den leichteren Übungen zu widmen, wird immer überfordert sein und nicht wirklich vorankommen. Stolz ist im Tanzunterricht deplatziert.

Multilevelkurse - Standard? Foto: Sabuas Lichtraum
Multilevelkurse – Standard? Foto: Sabuas Lichtraum

Für die Dozentin, weil sie oft nicht weiß, welche Level sie erwartet, weil es sich um einen ganz neuen Kurs handelt oder die Teilnehmer unregelmäßig erscheinen (wer wird wohl heute da sein?). Sie muss, noch mehr als sonst, in der Lage sein, blitzschnell auf die Umstände reagieren zu können. Sie muss jederzeit das Level anpassen und verschiedene Varianten ihres Stundenthemas liefern können.
Damit sind wir ganz nah dran an der Definition von „multilevel“, das aus dem Englischen stammt: „relating to or involving many levels“ (lt. Google).

Für Multilevelkurse benötigt eine Dozentin eine gute Ausbildung, viel Erfahrung, Fingerspitzengefühl und Empathie und einen großen Fundus an Unterrichtsideen/-stunden/-bausteinen sowie Themen. Außerdem Selbstvertrauen, Selbstbewusstsein, Flexibilität, Spontanität und den Willen, sich und ihre Ambitionen hintenan zu stellen.

Flexibilität für Multilevelkurse

Die wichtigste Eigenschaft in diesem Zusammenhang ist für mich die Flexibilität.
Flexibilität bedeutet nicht, sich nicht vorzubereiten. Im Gegenteil, eine gründliche Vorbereitung, das Beherrschen der Themen, die Auswahl der Vermittlungswege ist unerlässlich. Aber es ist wichtig, flexibel zu bleiben und reagieren zu können. Man ist vielleicht auf eine andere Situation vorbereitet gewesen und muss jetzt umstellen, das Thema wechseln, alles einfacher oder schwieriger machen, ein anderes Warmup wählen, etwas wiederholen, was gar nicht geplant war, für eine Bewegung drei Varianten liefern, weil nicht jede Teilnehmerin mitkommt. Weil heute einfach andere Leute da sind als letzte Woche, sie müde sind, wenig Lust haben oder mal richtig gefordert werden wollen.

Kommunikation - wichtig, nicht nur in Multilevelkursen - Foto: Sabuas Lichtraum
Flexibilität und Kommunikation – wichtig, nicht nur in Multilevelkursen – Foto: Sabuas Lichtraum

Auch als Teilnehmerin muss ich flexibel bleiben. Vielleicht machen wir heute doch noch nicht den neuen Teil der Choreografie, auf den ich mich gefreut hatte. Vielleicht muss ich heute noch mal eine Bewegung üben, von der ich glaube, sie schon zu können (jaaaa???? Im Laufen? Mit schönen Armen? Ohne Spiegel? Mit Ausdruck? ;)). Oder ich arbeite heute immer noch nicht an der Endversion einer Bewegung, sondern übe weiterhin eine leichtere Variante, weil der Ablauf noch nicht sitzt.
In einer Gruppe zu tanzen, bedeutet, auch Rücksicht auf die anderen zu nehmen. Bedeutet, dass sich nicht alles nach mir und meinem Level richten kann – wenn dir das allerdings besonders wichtig ist, bleibt ja noch der Privatunterricht.

Weiterbildung und Entwicklung sind für mich das A und O – nicht nur im Tanzraum.

Natürlich gibt es Dozenten, die mit der Situation überfordert sind. Das kann vorkommen, wir sind alle nur Menschen. Vielleicht fehlt es auch noch an Erfahrung und Fähigkeiten.
Als Inhaberin einer Tanzschule versuche ich, meinen Dozentinnen das Handwerkszeug an die Hand zu geben.
Als Dozentin hatte ich früher händeringend nach einer Mentorin und nach Fortbildungsmöglichkeiten gesucht. In meinen Anfangszeiten gab es keine Fortbildungen speziell für Dozenten im Orientalischen Tanz, weshalb ich heute die Seminare anbiete, die ich selbst damals so nötig gebraucht hätte.

Mein Tipp an alle Dozenten: Bildet euch fort! Und eben nicht nur in Sachen Choreografie und Technik. Ihr seid Dozenten, keine Tänzer! Im Tanzsaal braucht es einen ganz neuen Strauß an Fähigkeiten, den du nicht auf der Bühne erwerben wirst.

Und für alle Teilnehmer: Lasst euch auf Kurse mit Levelunterschieden ein. Auch die fortgeschrittenste Tänzerin kann etwas von der Korrektur für die Frau, die neben ihr steht und noch nicht soweit ist, lernen. Als fortgeschrittene Tänzerinnen schulen wir unsere Fähigkeiten auch oder gerade dann, wenn wir uns nicht zu fein sind, Basics zu wiederholen. Und vielleicht sind wir das nächste Mal froh, wenn der Dozent auch für uns noch einmal etwas wiederholt.