„Ich ziehe keine Kopien von mir heran“ – Interview mit OT pur-Dozentin und Tanzschulinhaberin Melanie

OT pur-Dozentin und Tanzschulinhaberin Melanie im Unterricht - Foto: Sabuas Lichtraum

Wie bist Du zum Tanzen gekommen, welche Tänze hast Du schon ausprobiert und welche tanzt bzw. unterrichtest Du heute?

Ich bin mit 19 Jahren, nach dem Abitur, zum Tanzen gekommen. Aus gesundheitlichen Gründen. Ich hatte starke Rückenschmerzen, eine familiäre Vorbelastung und einfach Angst, in jungen Jahren schon mit Bandscheibenvorfällen zu kämpfen zu haben. Orientalischer Tanz – das hörte sich im VHS-Programm viel spannender an als „Rückenschule“.

Ich war sehr schlank, trieb keinen Sport und hatte auch nie getanzt. Die heute fast schon obligatorischen Ballettstunden im Kindesalter konnten sich meine Eltern leider nicht leisten. Der Orientalische Tanz hat mir sehr geholfen, meine Magersucht und meine Rückenschmerzen zu überwinden.

Es ist auch beim Orientalischen Tanz geblieben. Ein kurzer Ausflug in den Ori Tahiti (Tahitianischen Tanz), ein Tango-Workshop, mehr war da nicht. Ich kann nicht mal einen klassischen Walzer auf einer Hochzeit tanzen ;).

Ich tanze und unterrichte ausschließlich Orientalischen Tanz. Außerdem Weiterbildungen für (unsere) Dozentinnen und Tanzschulinhaberinnen.

Was macht diesen Tanz für Dich aus?

Die Improvisation. Die Herausforderung, mit all dem Handwerkszeug, das ich mir über Jahre hinweg angeeignet habe (Hintergrundwissen, Folklore, Rhythmus-, Instrumenten- und Stilkunde, Tanztechnik, Showaufbau, Dramaturgie usw.) gekonnt zu improvisieren. Ein mir unbekanntes Stück sofort zu tanzen, und niemand merkt, dass ich die Musik zum ersten Mal höre.
Das finde ich faszinierend, das reizt mich. Und dann das Bewegungsrepertoire, das auch von Frauen ohne tänzerische Vorbildung zu meistern ist, weil es so variantenreich ist und an das Level und die Beweglichkeit angepasst werden kann. Du kommst hier immer weiter, auch mit körperlichen Einschränkungen. 

Was macht für Dich eine gute Tänzerin aus?

Die Fähigkeit, zu improvisieren und ihre Energie einzusetzen, mit ihr zu spielen, sie für ihren Tanz zu nutzen. Die Stimmung der Musik und ihre Gefühle zu transportieren. Das Publikum mitzunehmen, auf es zu reagieren.
Eine gute Tänzerin kennt ihre Grenzen, ist selbstkritisch, bildet sich immer weiter.

Warum unterrichtest Du? Was magst Du am Unterrichten am liebsten?

Ich bin ein Tanztechnikfan und liebe es, mich den Stars vergangener Zeiten zu beschäftigen. Beides ist in meinen Augen für Tanz sehr wichtig. Die Technik zu beherrschen, öffnet mich erst für das, was Tanz wirklich ist. Ich kann mich auf die Musik und das Publikum, auf den Ausdruck und die Gefühle konzentrieren.
Die „alten“ Tänzerinnen sind mein persönliches Steckenpferd. Sie liefern mir die x-te Variante einer Bewegung, eine weitere Ausdrucknuance, eine weitere Idee, wie Musik auch gehört und umgesetzt werden kann.
Ich liebe es außerdem, die vielen kleinen Erfolge der Kursteilnehmerinnen wahrzunehmen, die sie oft selbst nicht gleich bemerken. Den Weg von der reinen Tanztechnik zum Tanz zu beobachten. Das macht mich stolz und glücklich.

Dozentin Melanie beim Erklären- Foto: Sabuas Lichtraum
Dozentin Melanie beim Erklären- Foto: Sabuas Lichtraum

Hast Du ein Lieblingsaccessoire auf der Bühne und/oder im Unterricht?

Den Schleier – wie so viele, vermutlich. Er ist unglaublich vielseitig, ich kann ihn tanzen lassen und in den Hintergrund treten, er kann mich als Tänzerin ins rechte Licht rücken. Er kann Bestandteil meines Kostüms sein. Das Publikum liebt Schleier!

Mit Hilfe des Schleiers spüren und setzen viele Kursteilnehmerinnen ihre Arme und ihren Oberkörper im Bauchtanzkurs zum ersten Mal richtig ein. Meine eleganten Arme im Tanz verdanke ich meiner Liebe zu Schleiertänzen.

Was können Deine Kursteilnehmerinnen von Dir erwarten?

Gesundheitsorientierung und Spaß. Ich unterrichte immer im Hinblick auf die gesundheitlichen Aspekte einer Bewegung, weise auf die Fehlerquellen hin, korrigiere und bereite die Bewegungen vor. Ich variiere je nach Level, Vermögen und körperlichen Einschränkungen. Ich nutze gerne Hilfsmittel.
Ab Mittelstufe ist es mir wichtig, dass der kulturelle Kontext verstanden wird, Musik gehört und individuell interpretiert wird. Das kann sehr fordernd sein, die Frauen arbeiten dann an sich. Wer abends einfach nur einem Popo hinterherhüpfen oder die x-te aufregenden Choreografie nachtanzen möchte, ist bei anderen Dozentinnen besser aufgehoben.

Melanie legt auch mal Hand an - Foto: Sabuas Lichtraum
Melanie legt auch mal Hand an – Foto: Sabuas Lichtraum

Was macht Dich als Dozentin aus?

Ich ziehe keine Kopien von mir heran. Ich möchte nicht, dass die Frauen so tanzen wie ich, sondern dass sie ihren eigenen Stil und Ausdruck finden. Ich möchte, dass sie sich ausprobieren, von ihren eingefahren Bewegungsmustern loskommen, Neues erfahren und sich weiterentwickeln.
Ich bin manchmal recht fordernd und lobe auch zu wenig – aber, wenn ich lobe, dann ist es auch immer ernst gemeint und gut überlegt. Nie so dahingesagt.
Ich lache gerne im Unterricht. Besonders gerne über mich selbst. Ich habe eine blühende Fantasie und warte mit abstrusen Bildern und Vergleichen auf.
Und ich rede viel ?.

Was erwartest Du von Deinen Kursteilnehmerinnen?

Super viel. Ich habe immer hohe Erwartungen an andere (und an mich).
Freundlichkeit. Offenheit. Gemeinschaftssinn. Ehrlichkeit. Pünktlichkeit. Respekt mir, sich selbst und den anderen Teilnehmerinnen gegenüber. Echtes Interesse, diese Tanzform zu lernen. Bereitschaft, dazuzulernen und sich zu entwickeln, Korrekturen anzunehmen. Die Bereitschaft zu Experimenten. Interesse an Gesundheitsthemen. Mut & gute Laune (die finden wir gemeinsam).

Welcher Typ Frau fühlt sich von Orientalischen Tanz angezogen? Welche Frauen profitieren von Deinem Unterricht ganz besonders und warum?

Ich habe die Jahre über festgestellt, dass es v.a. drei Frauentypen sind, die zu uns in die Tanzschule kommen, um Orientalischen Tanz zu lernen:
Für Viele spielt der gesundheitliche Aspekt eine große Rolle. Prävention, Haltung, etwas für sich tun, ein besseres Körpergefühl bekommen, den eigenen Körper akzeptieren. Und da kommen wir auch schon zur zweiten Gruppe, die über die Körperarbeit, den Tanz, mehr Selbstvertrauen, Selbstbewusstsein, Mut und Ausstrahlung sucht.
Und dann gibt es noch diejenigen, die fasziniert sind von der Musik und den Bewegungen, die neugierig sind, etwas Neues erfahren und lernen, sich weiterentwickeln und die Herausforderungen des Orientalischen Tanzes meistern wollen. Diese Frauen haben häufig auch Ambitionen.

Melanie erklärt - Foto: Sabuas Lichtraum
Melanie erklärt – Foto: Sabuas Lichtraum

Als Dozentin versuche ich diese drei Gruppen anzusprechen. Meine besondere Stärke liegt dabei, schon aufgrund meiner Ausbildungen, im Bereich Gesundheit und Prävention.

Was hat die Beschäftigung mit diesem Tanz in Deinem Leben/bei Dir verändert?

Ich glaube, dass ich ohne den Orientalischen Tanz mit Mitte Zwanzig meinen ersten Bandscheibenvorfall gehabt hätte. Außerdem wäre ich vermutlich für immer schüchtern geblieben.
Da ich den Tanz als Tanzschulinhaberin zu meinem Beruf gemacht habe, hat er auch in dieser Hinsicht mein gesamtes Leben verändert. Ich wäre wahrscheinlich immer noch irgendwo Qualitätsmanagerin im Gesundheitswesen. Mit mehr Geld auf dem Konto, aber vermutlich todunglücklich darüber, dass ich doch so wenig bewegen und selbst entscheiden kann.